Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner. 

Jena, den 20. Juni [Donnerstag] 1793.

Ich habe lange geschwiegen, aber ich denke diese Beilage1 soll mich hinlänglich rechtfertigen. Du hast aber auch ebenso lange geschwiegen – wirst Du auch eine Entschuldigung haben? 

Ich habe diesen Aufsatz in nicht gar 6 Wochen verfertigt. Urtheile daraus, ob ich fleißig bin, und fleißig genug für einen Kranken. 

Diese Arbeit hat mir viel Freude gemacht, und, ich denke, keine ganz ungegründete. Betrachte sie als eine Art von Vorläufer meiner Theorie des Schönen. Eins weiß ich voraus, wo ich Dich sehr auf meiner Seite haben werde, und ich bin begierig zu erfahren, ob ich Dir darin werde genug gethan haben. 

An meine Zergliederung des Schönen werde ich mich bald machen. Ich werde sie in Briefen an den Prinzen von Augustenburg abhandeln, mit dem ich jetzt schon über diese Materie correspondire. Ich bin ihm einen öffentlichen Beweis von Aufmerksamkeit schuldig, und weiß, daß er nicht unempfindlich dagegen ist. Außerdem habe ich bei einer solchen Einkleidung den großen Vortheil, daß eine freiere und unterhaltende Behandlung mir gleichsam Pflicht wird, und daß ich mir aus meiner Unkunde im Dogmatisiren hier noch ein Verdienst machen kann, weil solche Briefe an einen solchen Mann es nicht wohl erlauben würden. 

In der Theorie des Schönen werde ich auch die Principien der schönen Kunst abhandeln, und da denke ich etwas zu leisten.

Meine Gedichte sollen aber deswegen nicht liegen bleiben. Aber schnell rücken sie freilich nicht vor. 

Glaubst Du es nicht möglich machen zu können, daß Du zeitiger hier seyn kannst? Ich bin ungeduldig auf unsere Geistesergießungen, und dann möchte ich auch durch Dich mit musikalischen Ideen bekannt werden, weil ich diese Kunst nicht zurücklassen kann und will. 

Empfiehl mich an Gleichens, wenn Du sie siehst.

               Dein 

S.


1) Über Anmuth und Würde. Leipzig, Göschen 1793.


Bemerkungen

1 Zu S. 317. Z. 14. Die Beilage war der Aufsatz über Anmut und Würde im zweiten Heft des dritten Bandes der Neuen Thalia, oder in dem besonderen Abdruck, wovon Schiller 150 Exemplare abziehen ließ (vgl. Nr. 664): Über Anmuth und Würde. An Carl von Dalberg in Erfurth. Was du hier siehest, edler Geist, bist du selbst. Milton, Leipzig Bey G. J. Göschen, 1793. 8. 1. Bl. S. 115-230. (unveränderte Paginierung aus der Thalia). 
2 Zu Z. 22. Schiller meint wohl die Ausführungen über Kants Moralphilosophie. 
3 Zu Z. 26. Körner bedauerte, daß Schiller den Plan aufgegeben habe, seine Schönheitstheorie in Form eines Dialogs zu bearbeiten.
4 Zu S. 318. Z. 7. Die Gedichte blieben bekanntlich liegen. Die von Wenzel, Aus Weimars goldenen Tagen S. 215 angeführte Sammlung einiger zerstreuter Gedichte von Schiller. Für einen freundschaftlichen Zirkel abgedruckt. 8. 57 S. Erlangen 1793 war gewiß ohne Schs. Wissen herausgegeben.